Nummer 2 - Territorium |
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"… man kann für das Unendliche leben, nur mit Unendlichem zufrieden sein, es gibt genug Unendliches auf der Erde und in den Sphären, um tausend große Genies zu sättigen …"
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Territorium - Territorialisierung Expressivität Wir entdecken bereits hier die verschiedensten Arten von Territorien - man muss sie sich nicht notwendigerweise material vorstellen. Wir kennen auch geistige Territorien - man fühlt sich auf dem Gebiet der Literatur zu Hause - und nicht nur der erste Mensch, der einen Holzpflock in die Erde geschlagen hat und sagte ‚Das ist mein' steckte ein Territorium ab. Territorium hat, wie der Name schon sagt etwas mit terra, aber auch etwas mit uns zu tun- wir territorialisieren uns in der Umgebung: pfeifend verlassen wir die Wohnung, gehen auf demselben Weg hinaus, in derselben Straße, zum selben Laden um die Ecke - und wenn wir mal von alle dem nichts wissen wollen drehen wir die Musik im Zimmer laut auf - in geradezu idealtypischerweise bewegt sich der Autofahrer territorialisierend durch die Umgebung Warum nicht von Welt reden: Lebenswelt, Sprachenwelt.
Weil Territorium eben terra enthält und damit etwas leisten
kann was Welt nicht vermag. Welt ist ein sehr anthropozentrischer
Begriff: ‚Das ist meine Welt'. Er hat etwas mit dem In-der-Welt sein Heideggers
oder Wittgensteins Sprachspiel zu tun. Der erste weist daraufhin, dass
ein äußerliches Ding an sich eine Legende der klassischen Metaphysik ist.
Wir müssen keinen Dualismus zwischen uns und Draußen konstruieren, denn
bevor wir so etwas bemerken sind wir immer schon in der Welt. Wittgenstein
dagegen macht deutlich, dass erst kontextabhängige Sprachspiele Welt entstehen
lassen. Aufgrund dieser traditionellen Behandlung des Themas Welt können
wir diesen Begriff nicht gebrauchen. Er kann die Bedingungen für Menschen
nicht freilegen. Niemand würde bestreiten, dass wir in eine Welt hinein
geboren werden, und dass die kontextual bestimmten Sprachspiele durch
uns nicht unbeachtet gelassen werden dürfen. Aber wir fragen nach den
transzendentalen Kategorien, die diese Erde immer schon bereitstellen
muss, um uns sowas wie eine Welt erst zu ermöglichen. Eine Kontextgebundenheit
bedeutet nämlich durchaus nicht sich zum subalternen Erfüllungsgehilfen
seiner Umwelt machen zu lassen. Territorium und Terra "Dies sind zwei Komponenten, das Territorium
und die Erde, mit zwei Ununterscheidbarkeitszonen, der Deterritorialisierung
(des Territoriums zur Erde) und der Reterritorialisierung (der Erde zum
Territorium)." Territorium enthält also terra und die Bewegung der Territorialisierung in sich. Es ist das mithilfe der Erde durch uns entfaltete Ergebnis einer Bewegung - es ist immer noch Bewegung. - Nebenbeibemerkt nicht nur durch uns; auch der Vogel pfeift sein Leid. - Eine Bewegung, die ständig wiederholt werden muss. Hier wird klar, dass unsere erste Intuition von einem zum Stillstand gebrachten Punkt (unsere Heimat? i.S.: Könnte es sich hier um unsere Heimat handeln?) fehl geht: wir gehen den Weg ins Geschäft nebenan jede Woche wieder, und nur dann ist das Territorium aktuell, ansonsten ist es eine reine Potentialität. Der Irrtum wäre anzunehmen, man könne als Mensch losgelöst von dieser Erde eine neue Terra suchen, bzw., besiedeln. Ein Streben in ‚unendliche Weiten' des Kosmos darf nicht nur die Bedrohung durch die Kontingenz, durch das Unvorhersehbare beachten, sondern muss sich die notwendige Erdverbundenheit des Menschen bewußt machen. Denn dem Menschen besteht nicht die Möglichkeit der Entdeckung des Kosmos, ihm besteht nur die Möglichkeit der Ausdehnung der Erde ins Unendliche. Dresden, März 2002
Robert Seyfert: rseyfert@germe.de |
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