‹‹‹ No 5 - La Banque / Die Bank
 
 
Meine Bank
Alban Lefranc, Übersetzung: Alban Lefranc, Marina Barré

Schau mich an, hör nicht auf mich anzuschauen, Du meine Frau, die ich verehre, zu allen Jahreszeiten, zu jeder Stunde des Tages, und an allen Morgen, aber vor allem mitten in der Nacht, hör nicht auf, die Meinige zu sein, mit allen Deinen für mich allein angezündeten Augen, die kein anderer als ich zu schauen weiß, betrachte ohne Wut meine Kleinheit, meine Nichtigkeit, meine Unexistenz neben Deinem immensen Körper, der heute Abend leuchtet, wo ich mich an Dich erinnere, und an alle Morgen, und an alle Morgendämmerungen, und an alle Tage, die ich unter Deinen Augen verbracht habe, und daran, was wir einst für einander waren.

Oh Dein großer verehrter Körper, der ein einziges Loch in die Nacht bohrt.

Oh Deine Ecken und Kanten, an denen ich mich lachend und Kopf schüttelnd auf und ab wälzen möchte, oh mein Blut, das ich an all Deinen Fenstern vergiessen möchte, oh all die Säfte, die ich für Dich bereithalte!

Lass mich um Deine vier Himmelsrichtungen laufen, lass mich Dich in alle Deine Ausgänge eindringen, lass mich das Gesicht an Deiner Seiten reiben!

Du ignorierst mich ja, und du hast entschieden zu schweigen unter dem Vorwand Deiner Materie, solide und wie ohne Gewicht, sich ganz oben gegen die nach Acapulco rasenden Flugzeuge hineinschmetternd, aber Du wirst mich nicht wegjagen können, da ich mich unter der unzähligen Menge verstecke, die auf Deinem Grund wimmelt und nie die Augen auf Dich richtet.

Du wirst es nicht fertig bringen, mich daran zu hindern, auf die Taten des winzigen arbeitenden Volks zu lauern, das Deine Treppen herauf und heruntergeht, das brav vor einem Deiner drei Aufzüge wartet, die sich in Dir von Kopf bis Fuß bewegen, das geschäftig hin und her um die Telefon- und Faxapparate eilt, die unaufhörlich in Deinem Bauch surren, Du wirst mich immer winzig an Deinen Füssen finden, ich, der ich aufpasse, dass keiner der Angestellten Deines immensen Körpers Dir weh tut, und Du kannst diese Männer in Uniform gegen mich aufhetzen, die mich vom Eingang jagen wollen, unter dem Vorwand, dass mein Geruch und mein Blick, tief in meinen Augenhöhlen, die Kunden erschrecken, ich werde Dich immer wie ein treuer Hund hüten, der besser als sein Frauchen weiß, was für sie gut ist, und der sich an ihrer Grausamkeit freut, als einem Zeichen, dass er trotz alledem existiert.

Was wollte ich außer Dir Freude geben, reinste Sanftheit sein, nicht mehr ich sein, damit Du alles hast. Und was soll's, wenn die einzige Stimme die aus Dir strömt, die Deiner Türen und Aufzüge ist, und die noch ärmere Deiner Angestellten, die sich deinem Kult widmen. Oh ich weiß ganz genau, dass ich mir nicht anmaßen kann, mich zu deinen Auserwählten zu zählen, ich kenne die Strenge deiner Riten und das Gewicht deiner auswählender Hand. Und ich weiß, dass die Dosen von billigem Bier, die ich nicht umhin kann seit den ersten Stunden des Tages an meine Lippen zu führen, mich aus Dir ausschließen, dass meine zitternden Hände nicht würdig sind, die dunkelste Deiner Tore aufzudrücken, ich weiß dass mein ganzer Körper gegen mich spricht, und mein torkelnder Gang, aber was soll's, solange ich mich daran erinnern kann, was wir einst füreinander waren, solange ich mich entsinnen kann, wie ich zum ersten Mal Deine vom Licht überflutete Halle in meinem rosa und blau karierten Anzug durchquerte, der jahrelang die Verblüffung aller meiner Verkaufsleiter hervorrief, solange ich in den Ruinen meines Gedächtnisses Deine Gänge wie zur Zeit meiner Pracht durchlaufen konnte, als Herr und Sieger.

Paris, 2004

Alban Lefranc: über den Autor

 

   
© 2004   das gefrorene meer - la mer gelée